Beugungsunschärfe ist ein Phänomen in der Fotografie, das vielen Fotografen zunächst gar nicht auffällt, aber einen großen Einfluss auf die Bildschärfe hat, besonders bei stark geschlossener Blende. Wenn du dich schon mal gefragt hast, warum dein Bild bei f/22 plötzlich weniger knackig scharf aussieht als bei f/8, bist du hier genau richtig. Besonders bei kleinen Blenden (grössere „f-Zahl“ wie f/16 oder f/22) kann die Schärfe plötzlich nachlassen – und das hat nichts mit einem Fehler beim Fotografieren zu tun, sondern mit Physik.

Was ist Beugungsunschärfe überhaupt?

Beugung entsteht, wenn Lichtwellen auf ein kleines Hindernis oder durch eine enge Öffnung – wie die Blende deines Objektivs – gelenkt werden. Je kleiner die Öffnung (z.B. Blende f/16 oder f/22), desto stärker breiten sich die Lichtwellen seitlich aus. Dadurch „verwischen“ sie auf dem Kamerasensor und erzeugen Unschärfe.

Mit anderen Worten: Die Schärfe leidet, obwohl du technisch gesehen alles richtig gemacht hast. Das ist keine Fehlbedienung – sondern ein optisches Gesetz.

Nicht nur in der Fotografie kommt die Beugungsschärfe vor:

Stell dir vor, du schaust durch eine enge Türöffnung in einen hellen Raum. Die Lichtstrahlen, die durch diese kleine Öffnung kommen, breiten sich nicht nur gerade aus – sie fächern sich leicht auf. Dieses Phänomen nennt man Beugung. In der Fotografie passiert genau das, wenn Licht durch eine stark geschlossene Blende dringt.

Die Lichtwellen „biegen“ sich an den Rändern der Blendenlamellen und treffen nicht mehr punktgenau auf den Sensor. Statt eines klaren Punktes entsteht ein sogenanntes „Airy-Scheibchen“ – ein kleines Lichtmuster, das sich über mehrere Pixel ausbreitet. Das Resultat: Dein Bild wirkt weniger scharf, obwohl alles technisch richtig eingestellt ist.

Warum tritt die Beugungsunschärfe gerade bei kleinen Blenden auf?

Es klingt erstmal logisch: Eine kleinere Blende vergrößert die Schärfentiefe, also sollten Bilder bei f/22 am schärfsten sein, oder? Leider nein. Die größere Schärfentiefe hilft zwar dabei, dass Objekte von vorne bis hinten scharf erscheinen, doch der Beugungseffekt zerstört zugleich feine Details im Bild.

Das ist besonders tückisch bei Landschaftsaufnahmen, wo man sich perfekte Schärfe über den gesamten Bildbereich wünscht. Viele glauben dann, ihre Kamera sei nicht gut genug, dabei liegt es einfach an den Gesetzen der Optik.

Zwar erhöht eine kleine Blende den Bereich im Bild, der scharf wirkt (z.B. bei Landschaften von vorne bis hinten). Aber die Lichtstrahlen werden dabei durch eine winzige Öffnung gezwungen – was die Beugungsunschärfe verstärkt. Die Folge: Das Bild wirkt weniger klar, Details gehen verloren, besonders wenn du hineinzoomst oder groß druckst.

Der Sweet Spot deines Objektivs

Jedes Objektiv hat einen optimalen Blendenbereich, in dem es seine beste Leistung bringt. Man spricht hier vom Sweet Spot. Oft liegt dieser zwischen f/5.6 und f/8. In diesem Bereich ist das Bild nicht nur scharf, sondern auch frei von starker Beugung. Wer diesen Bereich kennt und bewusst nutzt, holt das Beste aus seiner Ausrüstung heraus.

Natürlich ist es nicht verboten, auch mal auf f/11 oder f/16 zu gehen. Aber man sollte sich bewusst sein, dass dabei die Schärfe nicht steigt – sondern oft sogar abnimmt.

So findest du den Sweet Spot:

  1. Fotografiere ein detailreiches Motiv bei verschiedenen Blenden.

  2. Vergleiche die Bilder bei 100 % Vergrößerung.

  3. Beobachte, ab wann die Details weicher werden – dort beginnt die Beugungsunschärfe.

Wann ist Beugungsunschärfe akzeptabel – oder sogar nötig?

Es gibt durchaus Gründe, eine kleinere Blende zu wählen – auch wenn das etwas Schärfe kostet:

  • In der Makrofotografie, wo der Schärfebereich extrem gering ist, sorgt eine kleine Blende für mehr nutzbare Schärfentiefe.

  • In der Architektur- oder Landschaftsfotografie, wenn Vorder- und Hintergrund möglichst gleichzeitig im Fokus stehen sollen.

  • Bei Langzeitbelichtungen am Tag, wenn du ohne ND-Filter arbeitest und die Belichtungszeit verlängern willst.

In solchen Fällen ist die Beugungsunschärfe oft ein vertretbarer Kompromiss – weil die gestalterische Wirkung des Bildes im Vordergrund steht.

Beugungsunschärfe in der Praxis vermeiden – 3 Profi-Tipps:

  1. Nutze f/8 als Standard für maximale Schärfe in den meisten Situationen.

  2. Vermeide f/16 oder kleiner, wenn es nicht absolut nötig ist.

  3. Nutze Techniken wie Focus Stacking, wenn du große Schärfentiefe ohne Schärfeverlust brauchst.

Die Blendenzahl (z.?B. f/2.8, f/8, f/16) ist ein Verhältnis zwischen der Brennweite des Objektivs und dem Durchmesser der Blendenöffnung.

Formel:
Blendenzahl = Brennweite / Öffnungsdurchmesser

Beispiel:
Ein 100?mm Objektiv mit einer 25?mm großen Öffnung ergibt:
100?mm / 25?mm = f/4

Das bedeutet:

  • Je kleiner die Blendenzahl (z.?B. f/2.8), desto größer ist die Öffnung ? mehr Licht fällt ein.

  • Je größer die Blendenzahl (z.?B. f/16), desto kleiner ist die Öffnung ? weniger Licht, aber mehr Schärfentiefe.

Es ist also ein umgekehrter Zusammenhang: Kleine Zahl = große Blende, große Zahl = kleine Blende.

Focus Stacking ist eine Technik, bei der mehrere Fotos mit unterschiedlichen Fokuspunkten aufgenommen und später am Computer zu einem einzigen Bild kombiniert werden.

Das Ziel:
Maximale Schärfentiefe im gesamten Bild – von Vordergrund bis Hintergrund – ohne die Bildqualität durch kleine Blenden (und damit Beugungsunschärfe) zu verschlechtern.

Typischer Einsatz:

  • Makrofotografie (z.?B. Insekten, Blumen)

  • Produktfotografie

  • Landschaftsaufnahmen mit nahegelegenen Vordergründen

Der Ablauf:

  1. Du fotografierst dein Motiv mehrfach – jedes Mal mit einem anderen Fokuspunkt.

  2. Eine Software (z.?B. Photoshop, Helicon Focus oder Affinity Photo) setzt die scharfen Bereiche der einzelnen Bilder zusammen.

  3. Ergebnis: Ein Bild mit durchgehend perfekter Schärfe – ohne Beugungsunschärfe.