Beim Fotoshooting hoch oben in der Gletschergrotte vom Titlis in Engelberg habe ich mal wieder mit farbigen Folien experimentiert. Was im Fotostudio möglich ist, lässt sich annähernd auch onLocation mit etwas weniger Material umsetzen. Vor allem ist es einfacher, ein paar Aufsteckblitze in die Gletschergrotte mitzunehmen als umgekehrt einen ganzen Gletscher ins Fotostudio zu schleppen… Nachfolgend ein kleines Making-of.

Eishockey Fotoshooting in der Gletschergrotte

IMG_4470Wenn im Hochsommer die Vorfreude und Sehnsucht nach Eishockey zu gross wird, dann muss man etwas tun. Nicht ich bin der Hockey-Fan, um Himmels Willen, sondern Annette aus Z., ja noch besser: eine regelrechte Expertin. Als Hardcore-Gfrörli käme ich nämlich nicht auf die Idee, bei hochsommerlichen Temperaturen eine Gletschergrotte aufzusuchen und darin ein Fotoshooting zu machen. Als Fotografie-Enthusiast und immer offen für spezielle Projekte aber durchaus. Und die Abkühlung war ja dann doch voll ok. Mit Sack und vor allem Pack machten wir uns also auf den Weg – begleitet von unzähligen Indern und Chinesen hinauf auf 3000m. So ging es wenigstens im Asiaten-Getümmel fast unter, dass wir Hockey-Schläger und anderer Gerümpel hoch auf den Titlis schleppten… Einer entdeckte uns aber doch: „Nähmed no meh Plunder mit!“ lautete sein kreativer Kommentar, und völlig unrecht hatte er ja nicht.

Endlich oben angekommen war immer noch knapp T-Shirt-Wetter. In der Grotte war es etwas frischer… Aber nun mal zum eigentlichen Thema:

Gletschergrotte heisst primär: schlechte Lichtverhältnisse

gletschergrotte-titlisBei der Planung des Foto-Shootings hab ich mir im Internet Bilder von der Gletschergrotte angeschaut, um eine Vorstellung der Location zu bekommen. Engelberg/Titlis macht Werbung für die Gletschergrotte mit einem ganz schönen Foto vom ewigen Eis (siehe Bild nebenan). Oft ist dabei das Eis ganz cool (!) mit farbigem Licht angeleuchtet. Meist aber in rot. Dazu noch blau, vielleicht türkis, und so. Mit dem Rot könnte man sicher was machen. Das sieht eigentlich noch ganz gut aus. Aber wer sagt, dass diese Beleuchtung immer da ist, oder ob sie nur für die Promo-Fotos inszeniert wurde?! Also nimmt der Fotograf eben sein eigenes Licht mit; und die eigenen Farben.

titlis-gletschergrotte-beleuchtungDie Befürchtung sollte sich bewahrheiten. Von schöner Ausleuchtung der Eislandschaft war nichts zu sehen. Das nachfolgende Bild zeigt in etwa die original Lichtverhältnisse in der Gletschergrotte. Wobei selbst diese Darstellung ist leicht aufgehellt. Schade eigentlich, dass sie die ganze Szenerie nicht mit Licht aufpeppen. Da könnte man schon noch was rausholen. Aber das soll nun nicht mein Problem sein. Weiter mit dem Technischen:

Aufsteckblitz und Blitz-Generator

Die kleinen Aufsteck- (oder System)blitze bieten tolle Möglichkeiten für kreative Bilder. So braucht es nicht immer die ganz grosse Ausrüstung. Ein Funkauslöser für „entfesseltes Blitzen“ erlaubt die Positionierung des Blitzes an beliebiger Stelle auf einem Stativ, anstatt auf die Kamera gesteckt. Das Licht kann dadurch kreativer, dramatischer und natürlich(er) eingesetzt werden. (Licht kommt ja in Natura nicht zwangsläufig immer von vorn…) Für diese Funk-Trigger bzw. Transceiver empfehle ich übrigens die in China nachgeahmten Dinger von Yongnuo: Absolut zuverlässig, bedienerfreundlich, und ein Bruchteil so teuer wie die grossen Marken. Thumbs-up!

Abgesehen von den Canon Speedlites (so heissen die Aufsteckblitze) hatte ich noch den Elinchrom Quadra als Hauptlicht dabei. Ein tolles Teil, dieser Generator. Auch wenn es grundsätzlich mit den Speedlites auch möglich gewesen wär, lässt es sich mit dem Quadra einfach etwas komfortabler arbeiten: schnellere Wiederaufladezeit, stärkere Akkus, Adapter für den Einsatz aller Elinchrom Softboxen bzw. andere Lichtformer (bis zu einer bestimmten Grösse zumindest), und insgesamt viel mehr Power (Lichtstärke), wobei dies in der Grotte gar nicht gebraucht wäre. Ein kleines Feature war aber noch Gold-wert: Der Quadra hat nämlich ein Einstelllicht! hoho! Dieses leuchtet für immerhin knapp 10 Sekunden. Das bringt zwei willkommene Nebeneffekte:
– erstens kann man sehen, wie das Licht (bzw. die Schatten!) fällt und kann den Blitz entsprechend positionieren. Spannend ist vor allem, mit dem Eis selbst als natürlichem Reflektor zu arbeiten. Dazu unten mehr.
– zweitens ist es wie schon erwähnt verd… dunkel in so einer Grotte. Das Fokussieren wird erheblich beeinträchtigt bis total unmöglich! Ich musste teilweise mit dem Quadra-Einstelllicht den Fokus finden und dann in Dunkelheit und manuellem Fokus weitermachen. Bei rutschigem Untergrund und vorbeirauschenden Asiaten eine eher erschwerte Bedingung. (“ohhhh, ar yu Supa-Sta?? vely neis”)

Farbfolien: wenig Material – grosse Wirkung

Nun zu den Farbfolien: Generell ist mal zu sagen, dass es in diesem Bericht um einen farbigen Hintergrund geht. Man könnte auch das Model farbig anleuchten. Aber hier geht es darum, eine “eisige” Atmosphäre durch entsprechende Umgebung zu schaffen.

Ich entschied mich für etwas weniger popige Farben und etwas mehr Realismus mit grün/türkis/blau. Dies kommt dem ewigen Eis je nach Sonneneinstrahlung doch etwas näher. (Ja richtig, in der Grotte wird’s schwierig mit Sonne. Das gibt Abzüge in der Realismus-Note. Aber diesbezüglich dachte ich eher an Eisberge. Und auch künstliches Licht kann sich im Eis brechen. Ok?)

Die Farbfolien können ganz einfach mit Klettverschluss am Blitz angebracht werden. Eigentlich hab ich  mich darauf eingestellt, mindestens zwei Blitze – mit 2 Farben – für den Hintergrund zu verwenden. Nun, in der Dunkelheit findet man sich nur erschwert zurecht. Und anstatt den zweiten Blitz zu suchen und dazu noch einen Receiver (das Yongnuo-Ding), versuchte ich mal, zwei Folien an einem Blitz zu befestigen in der Hoffnung, einen Verlauf von grün nach blau zu erhalten. Das Resultat (siehe Foto unten) kann jeder selber beurteilen. Ich finds ok. Dass die beiden Eishügel da gleich noch unterschiedlich leuchten – einmal in blau und der Vordere in grün – ist dann noch ein willkommener Zufall.

entfesselt_blitzen_stativ
So, der Hintergrund ist soweit mal ok. Jetzt müsste man man nun noch das Hauptlicht arrangieren; und irgendwo die Annette platzieren. Und wenn dann alles passt, sieht es im Endeffekt wie folgt aus:

annette_titlis_1

 

Farbfolien als Backlight

Als weiteres Sujet bot sich eine Gletscherspalte ein paar Meter weiter an: Ein Portrait “umgeben vom ewigen Eis”. Viel näher ran gehts nun wirklich nicht. Den Blitz mit den Farbfolien platzierte ich dahinter. Nur schon deshalb, weil links und rechts kein Platz war. Aber auch, um den Effekt eines Backlights zu bekommen.entfesselt_blitzen_farbfolie

Das Hauptlicht vom Quadra hab ich zuerst vorne mittig platziert. Also etwa über meinem Kopf, was in etwa einem Blitz auf der Kamera entspricht und eine ziemlich langweilige, platte Ausleuchtung ergibt. Hier soll es ja um entfesselt Blitzen gehen. Die engen Platzverhältnisse lassen aber nicht viel mehr zu. Etwas aber doch. Als Variante habe ich dann den Quadra rechts auf die Eiswand gerichtet. Von dort wird das Licht – auch wenn das Eis mehr grau und nicht mehr so schön weiss ist – seitlich auf das Model gebounced. Eine abenteuerliche Form der indirekten Belichtung, aber man muss sich halt der Situation anpassen. Eis – der perfekte Reflektor! 😉 Das endgültige Bild mit Hintergrundbeleuchtung und vor allem Vordergrund sieht dann so aus:

entfesselt_blitzen_farbfolie_final

Farbig oder schwarz/weiss

Zum Schluss nochmal ein Vergleich einer identischen Shooting-Situation, aber mit und ohne Farbfolie. Tatsächlich hatte der Hintergrundblitz halt ab und zu nicht ausgelöst. Dadurch bekommt man dann einen Eindruck wie es wäre mit nur einem einzigen Blitz. Das rechte Bild, also ohne Folie, würde ich wahrscheinlich eher in schwarz-weiss konvertieren. Das kann sicherlich auch interessant aussehen. Es war in diesem Fall halt einfach nicht das Thema.

entfesselt_blitzen_farbfolie_sw

Das letzte Bild war ursprünglich vorerst als Test gedacht. Ich wollte einen grossen, farbigen Verlauf über eine Eiswand haben. Und bis das Setup steht, hat sich die tapfere Annette eine Jacke angezogen. Es ist halt schon gletschergrottenmässig frisch dort drin. Der Pelzkragen entpuppte sich dann aber als interessantes Motiv und wurde sogleich ins Foto miteinbezogen.
titlis-fotoshooting3