Das Case Air System von Tether Tools verspricht eine unkomplizierte Bildübertragung via WLAN, also ohne Kabel. Das tönt hervorragend und scheinbar nach einer Lösung für mein Langzeitproblem. Darum musste ich den Versuch wagen und das Ding testen.

Im Fotostudio nutze ich meistens ein Kabel, um die Bilder direkt auf den Compi zu übertragen. So sieht man sofort das (Zwischen-)Resultat auf dem Grossbildschirm, statt nur auf dem kleinen Kamera-Screen. Dies ist sehr praktisch, vor allem wenn Kunden im Studio sind. Wir können dann zusammen die ersten Test-Shoots anschauen und Anpassungen vornehmen. Aber jedes zusätzliche Kabel ist halt eigentlich eines zu viel. Darum suche ich schon seit langem eine kabellose Variante für die Bildübertragung. Bei meinen eigenen Recherchen zu dem Thema habe ich drei Produkte in meine engere Auswahl genommen. Testberichte findet man schon ab und zu; sowohl auf Blogs von Fotografen oder auf YouTube. Aber so richtig überzeugt hat mich keiner davon; also kein Bericht. Und folglich kann ich mir auch über das Produkt keine schlaue Meinung bilden.

Tether Tools Case Air System und Alternativen

Relativ schnell stösst man bei der Recherche auf das Canon-eigene Produkt “WFT-E…”. Auch das “Case Air System” und der “Camranger” sind relativ gut präsent im WWW. Doch was taugen sie? 

Variante 1: Canon WFT-E8

Von Canon selbst gibt es einen WLAN-Transmitter: der WFT-E8 (oder je nach Kameramodel eine andere Zahl in der Bezeichnung. Bei mir ist es eben der WFT-E8). Der Preis von mehreren Hundert Franken hat mich aber ziemlich schnell abgeschreckt. Schliesslich haben immer mehr Kameras heutzutage WLAN integriert. Für so eine heutzutage “State-of-the-Art”-Funktion war mir das doch etwas zu viel. Zudem liest man in Testberichten, dass die Übertragung der Daten ewig lange dauert. Der nächste Minuspunkt. Und wenn dann auch noch die Kompatibilität bei verschiedenen Kameras nicht gegeben ist, fällt das Ding definitiv aus dem Körbchen. Ich will ja nicht bei einer neuen Kamera auch noch einen neuen Transmitter für nochmals viele Hunderter ausgeben.

Variante 2: Camranger

Der Camranger ist bestimmt ein cooles Teil, wenn man die Kamera fernbedienen will. Z.B. wenn man ein Hochstativ benutzt und die Kamera auf 5 Meter Höhe oben nicht mehr bedienbar ist. Dann kann man z.B. via iPad wunderbar die Einstellungen vornehmen und abdrücken. Bildübertragung soll auch gehen. Aber der eigentliche Verwendungszweck ist die Funktion “Fernbedienung”. Der Preis ist bei rund Fr. 400-500. Und weil das für meine Zwecke (ich will nur Bilder übertragen, nicht fernbedienen) überdimensioniert und darum overpriced ist, suchte ich nach weiteren Alternativen.
Update: Gemäss Website von Camranger ist eine neue Version – der Camranger 2 – in Bearbeitung. Er verspricht u.a. eine schnellere Verbindung… Das tönt spannend. Da bleibe ich mal dran.

Variante 3: Case Air System von Tether Tools

Ich finde die “Tether Tools” eigentlich eine prima Sache und verwende schon Kabel und andere Gadgets von diesem Hersteller. Und weil ich den Preis von gut Fr. 200 für das “Case Air System” noch halbwegs vernünftig finde (für ein bisschen WLAN immer noch viel…), habe ich mich dafür entschieden. Brauchbare Testberichte fand ich keine. Es gibt ein paar YouTube-Videos. Aber so richtig aufschlussreich war keines. Zudem muss mein Traum-Gadget mit Lightroom funktionieren. Das macht es wohl nochmals etwas spezieller, obwohl Lightroom selbst auch annähernd zu den Standardtools in der Fotografie gehört. Anyway. Diesbezüglich sind die im WWW auffindbaren Tests nochmals stark reduziert. Also teste ich halt selber.

Test vom Case Air System

Gekauft habe ich das “Case Air System” bei Profot. Die Lieferung erfolgte gewohnt speditiv und problemlos. Herzlichen Dank an dieser Stelle.

Das Paket vom “Case Air System” umfasst neben dem Gerät noch jede Menge USB-Kabel, so dass die allermeisten Kamera-Anschlüsse abgedeckt sind. Dazu ein Kabel zum Aufladen, sowie ein “Lanyard”, um das verbundene Kabel zusätzlich an der Kamera zu befestigen. Eine gute Sache, weil das Gerät dann nicht einfach an der Kamera runterhängt, und das Kabel weniger schnell aus der Kamera rausgerissen wird. Ein gewohntes und geschätztes Feature von Tether Tools. Das machen sie gut.

Case Air System - Inhalt

Die Grafik zeigt den Lieferumfang; die Speicherkarte dient als Grössenvergleich. Nun zur Einrichtung und den drei Schritten gemäss “Quick-Start-Anleitung”.

Schritt 1: Case Air mit Kamera verbinden

Nicht sehr schwierig: Dazu verwendet man eines der mitgelieferten Kabel und steckt es einerseits beim “Case Air System” und andererseits in der Kamera ein. Das ist machbar.

Schritt 2: Kamera und Case Air einschalten

Auch machbar: Kamera wie gewohnt einschalten, und den einzigen Knopf am “Case Air System” zwei Sekunden lang drücken. Du erhältst dann eine Info über den Batterie-Ladestatus gemäss den Ampel-Farben rot-gelb-grün. Dazu informiert ein blaues Licht, ob ein Update stattfindet oder das Gerät betriebsbereit ist.

Schritt 3: Download Case Remote APP und Installation

Jetzt muss noch die “Case Remote APP” installiert werden. Hier gehts zum Download: www.tethertools.com/caseairinstall. Ok, ein kleiner Aufwand. Fast Plug&Play, aber nur fast.

Weiter gehts mit der WLAN-Connection. Das eingeschaltete “Case Air System” ist auf dem Computer als WLAN anwählbar. Das schaffen wir, du und ich, und auf der Rückseite vom “Case Air System ” findet man das Passwort. Dieser Schritt funktioniert soweit eigentlich absolut reibungslos. Kleines Detail: Du bist nun natürlich nicht mehr mit dem Internet verbunden. Die App lädt man also am besten vorher runter, bevor man die WLAN-Verbindung mit dem Gerätlein herstellt. Kleine Randnotiz…

In der perfekten Welt ist nun die Kamera via “Case Air System” mit der Remote App verbunden. Bei mir nicht auf Anhieb. Nach ein paar Mal ein- und ausschalten bzw. Neustarten von Case Air, Remote App und auch Kamera war die Verbindung dann aber immerhin da. Man kann nun am Compi via “Case Remote APP” die Kamera auslösen oder die Einstellungen verändern. Sofern man das will. In der People Fotografie sitze ich nicht am Compi und löse die Kamera – auf Stativ – über Mausklick aus. Bei Food-/Produktfotografie mag dies theoretisch denkbar sein. Trotzdem für mich noch kein Feature, dass mich aus den Socken haut. Ich will einfach nur kabellose Datenübertragung.

Nun gut, bis hierhin geht eigentlich alles relativ schnell und reibungslos. Das Herzstück –  Transfer von Bildern auf den Computer – wird nun etwas kniffliger.

Das “Case Air Sytem” in der Praxis

Wenn man ein Foto macht, wird es zuerst mal in die Remote App geladen. Ich sehe das Bild aber nicht sofort, sonder muss die “Photos”-Ansicht quasi neu laden. Also kurz auf “Capture” klicken, dann wieder zurück auf “Photos”, erst dann sehe ich das Foto. Nun wähle ich dieses Foto aus und drücke auf das Download-Symbol. Dadurch wird es in den vorher von mir definierten Ordner geladen. Damit das Bild nun – endlich – auch in Lightroom erscheint, muss ich dort zuvor (!) folgendes machen:

Es gibt in Lightroom unter “Datei” die Funktion “Automatisch importieren”. Dort wählt man unter “Name des Unterordners” einen zusätzlichen Ordner. Dies ist dann der “Lightroom-Ordner”. Also der Ort, wo die Bilder schlussendlich importiert werden, um sie in Lightroom weiter zu bearbeiten. Kurz zusammengefasst: Das Bild wird vom Ordner in der “Remote App” automatisch in den Lightroom-Ordner geladen. Das “automatisch” tönt zwar lässig und unkompliziert. Es benötigt aber die beschriebenen Einstellungen, bis denn irgendwann mal eben “automatisch” funktioniert. Neben dieser Vorarbeit dauert der Import für ein RAW-Foto (mit ca. 20-25MB) gut und gerne um die 10 Sekunden. Bei 20 oder 30 Fotos – man rechne….

Irgendwann hat man dann tatsächlich mal ein Foto in Lightroom, ohne dass ein Kabel für die Datenübertragung verwendet werden musste. Rein über WLAN. Aber ist das wirklich der gewinnbringende, optimierte, konfortablere Weg, um Fotos von der Kamera auf den Computer zu laden? Mich hat es leider nicht überzeugt. 

Fazit zum Test vom Tether Tools Air Case System:

Das Positive:

Es funktioniert. Grundsätzlich. Also im Sinne von: Ja, man kann Fotos ohne Kabel auf den Computer laden. Etwa so, wie man theoretisch zu Fuss auf den Pilatus hoch laufen kann. Es ist einfach mit etwas Aufwand verbunden. Somit ist es höchstens für Produktfotografen o.ä. geeignet. Dort ist man in der Regel alleine im Studio und macht einzelne Bilder. Bei Peoplefotografie hingegen werden häufig Dutzende von Bilder, ja richtige Bildserien geschossen. Wenn dann nur schon 10 Sekunden pro Bild warten muss, um das Ergebnis zu bestaunen, geht das einfach nicht.

Negative Punkte im Test:

  • Die Datenübertragung dauert einfach zu lang: Zuerst in die Remote App, von dort nochmals in Lightroom. Alles in allem dauert es 10, 15, vielleicht 20 Sekunden – pro Foto! Es mag nach wenig klingen und alles ist relativ. Aber berühre mal 20 Sekunden lang eine heisse Herdplatte. Dann findest du es auch nicht mehr eine Lappalie. Genau so ist eine Unterbrechung im Shooting extrem störend, auch wenn es nur wenige Sekunden sind.
  • Es sind zusätzliche Klicks nötig (damit das Bild in der App sichtbar ist; sowie der Download, damit das Bild von App in Lightroom übertragen wird). Das tönt nach Luxusproblem. Aber in der Praxis ist es einfach nicht gut. Mit der “Kabel-Lösung” kann ich ein Bild machen, kurz rüberschauen zum Compi; das Bild ist da und ich habe einen Eindruck, ob alles ok ist oder nicht. Wenn ich aber ein paar Schritte machen, dazu die Kamera hinlegen und mit der Maus klicken muss; dann ist das ein Break im Shooting und nicht der gleiche Komfort. Für mich ein No-Go.
  • Einrichtung mit Ordnern: wenn mehrere Kunden hintereinander kommen, muss man jedes Mal neue Ordner anlegen, damit die Bilder dort hineingelangen. Fotografen haben nicht überflüssig Zeit für solches Zeugs!
  • Vor jedem Shooting muss man zusätzliche Einstellungen bzw. Einrichtungen vornehmen, damit die Ordner untereinander richtig arbeiten.
  • Die Verbindung unter den Geräten und mit WLAN hat beim Test zwar funktioniert, aber mit ein paar Umwegen über Neustarts etc. In der Praxis rechne ich damit, dass hin und wieder mal die Verbindung weg ist und man neu beginnen muss. Solche Umwege und Verzögerungen sind bei einem Shooting und mit Kunden vor Ort nicht akzeptabel. Es verhindert einerseits einen gewissen “flow” beim shooten, und zum anderen wirkt es einfach unprofessionell. 

Somit ist der Test leider, leider negativ ausgefallen und ich bin weiterhin auf der Suche nach einer komfortablen, einfachen Lösung für kabellose Bildübertragung. Ich freue mich über Tipps und Hinweise.

Und zum Schluss noch dies:

Klar ist die Idee von kabelloser Datenübertragung eine Verwendung von WLAN. Und so ist genau dieses WLAN dann nicht mehr verwendbar für die herkömmliche Internetverbindung, ohne die wir heutzutage kaum mehr können. Da kann das Gerät nichts dafür. Aber es ist so. Und darum wird zu Gunsten des “Case Air Systems” z.B. das Internet-Radio gekappt, was eigentlich für ein bisschen Hintergrundmusik während dem Fotoshooting gerne gehört wird (ja auch das ist ein Bericht aus der Praxis). Oder man braucht das Internet für sonst irgendwas, ein Mail schreiben, oder etwas auf der Website zeigen, what ever. Internet is everywhere. Es bräuchte einfach irgendwie ein Art “zwei” WLAN-Verbindungen, damit die Datenübertragung sichergestellt ist und das Internet weiterhin für andere Dienste funktioniert. Da sind wir dann in der nächsten Dimension; zweiter Computer für das Internet-Radio und und und. Es ist nicht völlig unmöglich. Aber eben: auch auf den Pilatus laufen ist nicht völlig unmöglich…